Hast du schon von der italienischen Facebookgruppe „Mia Moglie“ gehört? Rund 32.000 Mitglieder – mutmaßlich fast ausschließlich Männer – haben in dieser öffentlichen Gruppe, zum Teil mit Klarnamen und Profilbildern von sich, intime Fotos von ihren Partnerinnen geteilt. Selbstverständlich ohne deren Zustimmung.
Mit Bildbeschreibungen wie „Das ist meine Frau. Was würdest du mit ihr machen?“ (1) wurde dann zum gegenseitigen Kommentieren angefeuert. Wir können uns vorstellen, wie ekelhaft diese Kommentare ausgefallen sind.
Inzwischen wurde die Facebookgruppe von Meta geschlossen. Lange blieben Polizei und Meta untätig, über sechs Jahre lang konnten Männer ungehindert Bilder (von echten Partnerinnen, zum Teil aber auch KI-generiert) hochladen und Frauen objektifizieren, sexualisieren, als Beute präsentieren und sogar Vergewaltigungsfantasien teilen.
Erst als der öffentliche Druck durch tausende Beschwerden und die Autorin Carolina Capria zu groß wurde, sah das Unternehmen sich gezwungen, zu handeln. (2)
Und die Chancen stehen gut, dass eine ähnliche Gruppe längst unter anderem Namen wieder geöffnet wurde.
Was an diesem Beispiel ganz wunderbar und gleichzeitig traurigerweise deutlich wird: Nur mit der geballten Kraft weiblicher Wut, mit Nachdrücklichkeit und ganz viel Ausdauer gelingt es uns, uns wie im Fall der Facebookgruppe „Mia Moglia“ selbst zu schützen. Auf Männer brauchen wir da nicht warten.
Dass die Männer offenbar ohne Furcht mit Klarnamen und Profilbildern kommentiert haben, zeige laut Capria nur, wie tief Sexualität und Gewalt in unserer Kultur verankert seien, wie sie auf Instagram schrieb.
Und ja, wie immer sind das Problem Männer und die patriarchalen Strukturen, die sie schützen.
Als ich von diesem Vorfall – zugegebenermaßen etwas verspätet – gehört habe, war mein erster Gedanke „Ich kann das alles nicht mehr!“, denn er hat mich nicht nur an den Fall Pelicot erinnert, sondern auch die SteuerungF-Reportage, in der eine Telegramgruppe aufgedeckt wurde, in denen Fotos und Videos von Frauen geteilt wurden, die ohne ihr Wissen unter Drogen gesetzt und missbraucht worden sind – von ihren Partnern, Freunden, Familienangehörigen.
Und dann wurde ich wütend.
Weil ein Großteil der Mitglieder der „Mia Moglia“ Facebookgruppe keinerlei Konsequenzen erfahren wird. Wenn überhaupt irgendwer, denn offenbar wollen sich die betroffenen Frauen der Sammelklage nicht anschließen. Wer weiß, wie viele der Frauen sich nicht von ihren Partnern trennen, weil es ja „nicht so schlimm“ war. Oder „nur ein Scherz“. Oder sie „ganz schön hysterisch“ reagieren, weil sie wütend sind.
Wie viele andere Vorfälle, und bei Gott, es gibt wirklich mehr als genug Beispiele, sehen wir hier mal wieder, wie wichtig die Normalisierung weiblicher Wut ist – und wie wichtig es auch ist, dass Female Rage mehr Platz in Literatur und Belletristik einnimmt. Wir müssen die Idee verinnerlichen, dass es nicht nur „okay“ ist, als Frauen wütend zu werden, sondern das diese Wut rechtschaffen und gerechtfertigt ist. Wir müssen weibliche Wut – am besten kollektiv – reclaimen. Damit wir in Fällen wie der „Mia Moglie“ Facebookgruppe den Mut finden, für uns und auch die anderen Frauen einzustehen.
Weibliche Wut war und ist schon immer ein faszinierender Katalysator für Veränderung. Angefangen vom Marsch auf Versailles am Vorabend der Französischen Revolution über die Suffragetten und Frauenwahlrechtsbewegungen bis hin zu den immer wieder (oder immer noch?) aktuellen Me-Too-Debatten, die immerhin in Frankreich und Spanien schon zu „Nur Ja heißt Ja“ geführt haben.
Klar könnte man argumentieren, dass sich nichts verändert, nur weil Frauen Fantasy-Romane über wütende Protagonistinnen lesen. Aber da halte ich mit dem Mere Exposure Effect dagegen. (3) Dabei handelt es sich um ein psychologisches Phänomen, das besagt, dass je häufiger wir einem bestimmten Reiz ausgesetzt werden, wir ihn umso positiver bewerten. Selbst dann, wenn keine bewusste Auseinandersetzung damit stattfindet. Dass kommt uns vermutlich vor allem bekannt vor, wenn es ums abstumpfen geht gegenüber negativen Erfahrungen geht. Aber es funktioniert natürlich auch in die andere Richtung: Je mehr wir damit konfrontiert werden, dass weibliche Wut normal, erlaubt, wohltuend, kraftvoll, heilsam und ja, manchmal auch racheengelsgleich-zerstörerisch ist, umso vertrauter werden wir mit dem Gedanken, dass auch unsere eigene Wut normal, heilsam und schlichtweg erlaubt ist.
Was wir brauchen sind viel mehr Bücher im Genre Female Rage. Schreibst du mit?